Der in Würzburg arbeitende Bildhauer und Maler Daniele Dell’Eva hat am Donnerstag sein Werk an das Fraunhofer MEVIS übergeben. Es entstand im Rahmen des Auslobungsverfahrens „Kunst am Bau“ für den Institutsneubau, der „Werkstatt der digitalen Medizin“, am Hauptstandort in Bremen. Die Arbeit stellt die künstlerische und wissenschaftliche Erfassung des menschlichen Körpers in den Mittelpunkt. Sie besteht aus der „Menschskulptur“ am Haupteingang und den drei skulpturalen Wandarbeiten „Three Clouds“, montiert in zentralen Kommunikationsflächen im ersten bis dritten Obergeschoss des Gebäudes. Dell’Evas Ansatz basiert auf Vergleichen von Problemstellungen in der digitalen Bildgebung und Darstellungen des menschlichen Körpers in der Bildhauerei. Die analogen Herstellungsverfahren und traditionelle Themen aus der Bildhauerei bilden dabei einen Kontrapunkt zur modernen Architektur des Gebäudes und zum digitalen Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer MEVIS.
„Menschskulptur“
Ausgangspunkt ist eine 28cm hohe Keramikskulptur, die dreidimensional eingescannt und mittels eines speziellen Sanddruckverfahrens auf 2,30 Meter vergrößert, abgeformt und in Bronze gegossen wurde.
Verschiedenste Bildgebungstechniken erfassen immer kleinere Details des menschlichen Körpers, um beispielsweise minimal invasive Eingriffe mit großer Wirkung zu erzielen. Jede Dimension der Darstellung bringt ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten mit sich. Die Betrachtung des menschlichen Körpers im richtigen Verhältnis oder in der nötigen Vergrößerung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieses Spannungsfeld greift die Arbeit am Haupteingang auf: durch die Vergrößerung einer kleinen Skulptur entsteht ein neues Erscheinungsbild; eine kleine Geste, die aus den Händen in der kleinen Plastik ablesbar ist, wird zu einer großen Bewegung. Das Verhältnis dieser Bewegung zum Körper des Modellierenden und des Betrachters verändert sich grundlegend, die Gestalt und Farbe der Oberfläche verweisen jedoch auf die aus Keramik geformte Ausgangsfigur. Die Patina, ungebrannter Keramik nachempfunden, gibt der Figur, die weder männlich noch weiblich ist, einen unfertigen Charakter. Das Werk nähert sich lediglich der Form eines menschlichen Körpers an und bleibt eine offene Umschreibung, die auf das Nichtwissen, das inkrementelle Lernen und daraus resultierende neue Blickwinkel und Fragen verweist. Entwicklung wird möglich, wenn Schritte außerhalb des etablierten Könnens und Wissens gewagt werden – vermittelt durch die leichte Überlebensgröße der „Menschskulptur“.
„Three Clouds“
Ein modellierter Tonkopf, in drei Versionen in Gipsschalen erfasst und abgeformt und mit Beton ausgegossen und teilweise vom Gips befreit, ist die Basis der Arbeit für die Kommunikations-Inseln im Gebäude. Dell’Eva adressiert Verfahren der digitalen Medizin, wie MRT oder CT, mit Fragestellungen der Bildhauerei, in diesem Fall der Abformung des menschlichen Körpers in Gips.
Mit der momenthaften und fragmentarischen Abnahme und Freilegung der menschlichen Kopfform verweist der Künstler auf digitale Untersuchungsmethoden, die Einblicke in den Körper geben, dabei bestimmte Areale in den Blick nehmen, während andere Bereiche unsichtbar bleiben. Der Abformungsprozess in der Bildhauerei ist ein Moment, der die Skulptur umschreibt und gleichzeitig verdeckt, indem die Form und die Oberfläche ermittelt und dabei neu geschaffen werden. Der wattig aussehenden Gips, der sich um den Kopf legt, verdeckt die eigentliche Skulptur; hinzugefügte Pigmente heben verschiedene Gesten in der Gipsform hervor. Der Titel „Three Clouds“ verweist zudem auf digitale Cloud-Speicher im Internet, die Menschen ermöglichen Wissen auszutauschen.
„Werkstatt der digitalen Medizin“
Das neue Institutsgebäude von Fraunhofer MEVIS auf dem Campus der Universität Bremen wurde nach zweieinhalbjähriger Bauzeit im Mai 2021 bezogen. Auf einer Nutzfläche von 2.600 Quadratmetern beherbergt das vom Architekturbüro Haslob Kruse + Partner entworfene Gebäude bis zu 210 Arbeitsplätze. Das Raumkonzept aus Büro-, Seminar- und Besprechungs- sowie Technikräumen und einzelnen Laborflächen bietet gleichermaßen Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten wie auch offene Bereiche für Kommunikation und Zusammenarbeit. Als „Werkstatt der digitalen Medizin“ soll das Gebäude als Treiber des digitalen Wandels im Gesundheitswesen wahrgenommen werden und Raum für Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Thema digitale Medizin schaffen. Die Baukosten von rund 15 Millionen Euro stammen zu je einem Drittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, vom Land Bremen sowie aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).