Beim „Global Social Business Summit“ in Berlin lotet Fraunhofer MEVIS aus, wie sich die Telemedizin effektiver in Entwicklungsländern einsetzen lässt.
Nach wie vor haben viele Menschen auf der Welt keinen Zugang zu einer medizinischen Versorgung. Eine der Strategien zur Verbesserung der Lage heißt „Social Business“: Sozial orientierte Unternehmer bieten Produkte und Dienstleistungen an, von denen gerade die ärmsten Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern profitieren sollen. Vom 4.-7. November findet in Berlin der „Global Social Business Summit“ statt – das international größte Forum für soziales Unternehmertum. Einer der Programmpunkte: neue Perspektiven in der Gesundheitsversorgung. Das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen beteiligt sich an der Veranstaltung und sucht nach potenziellen Partnern für künftige Social-Business-Kooperationen.
Social Business ist ein wirtschaftliches Konzept, das auf den Friedensnobelpreisträger Prof. Muhammad Yunus zurückgeht. Diese Unternehmen verdienen zwar ebenso Geld wie andere Firmen auch, haben sich dabei aber nicht der Gewinnmaximierung verschrieben, sondern unterschiedlichsten sozialen Zwecken. „Dieses Modell ist kompatibel mit dem Gemeinnützigkeitsgedanken der Fraunhofer-Gesellschaft“, sagt Horst Hahn, Institutsleiter von Fraunhofer MEVIS. „Social Business hat das Potential, bezahlbare Früherkennung schwerwiegender Erkrankungen mit telemedizinischen Prozessen auch in Ländern mit einer bislang unzureichenden Gesundheitsversorgung verfügbar zu machen.“ Jedem Menschen auf der Welt einen Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung zu bieten, zählt zu jenen Zielen, die die Vereinten Nationen im September auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung vereinbart hatten.
Seit nunmehr 20 Jahren entwickelt Fraunhofer MEVIS bildgestützte Assistenzsysteme für den ärztlichen Arbeitsalltag: Mit raffinierten Verfahren gelingt es heute, eine Vielzahl an Informationen aus medizinischen Bilddaten, etwa für die Krebsfrüherkennung, herauszuholen und innovative Software auch via Internet anzubieten. Einige dieser Verfahren kämen auch für Social-Business-Kooperationen in Frage.
Unter anderem hat Fraunhofer MEVIS webbasierte Softwaretools für die Nationale Kohorte (NAKO) entwickelt, die bislang umfassendste Gesundheitsstudie Deutschlands. „Die dort zum Einsatz kommenden Verfahren ließen sich auch dazu nutzen, Röntgen- oder Ultraschallaufnahmen via Internet zu verteilen und Ärzten zur Befundung zur Verfügung zu stellen, die gar nicht vor Ort sind“, erläutert Hahn. Der Hintergrund: In vielen Ländern herrscht ein ausgeprägter Ärztemangel, in einigen Regionen gibt es keine Experten, die ein Röntgenbild befunden können, wohl aber Internetzugang und Browser. Eine webbasierte Lösung könnte hier Abhilfe schaffen, indem sie eine Bewertung der Bilder und Zweitmeinungen aus der Ferne ermöglicht.
Relevant könnte auch der Einsatz moderner Computeralgorithmen sein, die bestimmte Auffälligkeiten in den Bilddaten automatisch erkennen. Hier arbeitet Fraunhofer MEVIS eng mit dem Klinikum der Radboud-Universität Nijmegen zusammen, an dem eine der weltweit führenden Arbeitsgruppen für automatische Bildauswertung tätig ist. „Diese Algorithmen könnten zum Beispiel erkennen, ob es in einem Röntgenbild Verdachtsmomente auf Tuberkulose gibt oder ob im Ultraschallbild einer Schwangeren Auffälligkeiten auftreten“, erklärt Horst Hahn. „Der Algorithmus würde keine fertige Diagnose erstellen, sondern nur die Empfehlung geben, eine Klinik aufzusuchen und den Befund dort abklären zu lassen.“ Der Vorteil solcher Algorithmen: Sie könnten eine Vielzahl von Bildern automatisiert vorbewerten - ein Fortschritt gerade in Regionen ohne ausgebildetes medizinisches Personal.
Die MEVIS Forscher gehen dabei auf bewährte Weise vor: „Wir können und wollen solche Ansätze nur in enger Zusammenarbeit mit Organisationen und Ärzten vor Ort entwickeln“, betont Hahn. „Der Global Social Business Summit in Berlin bietet eine hervorragende Gelegenheit, mit Unternehmern, Institutionen und Projekten ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, bei welchen drängenden gesundheitlichen Problemen beispielsweise in einem Land wie Bangladesh Fraunhofer MEVIS einen Beitrag leisten könnte. Das ist der nächste Meilenstein, der jetzt vor uns liegt.“
Der Global Social Business Summit ist das größte internationale Forum für Social Business – ein neues, nachhaltiges Geschäftsmodell, welches vom Friedensnobelpreisträger Prof. Muhammad Yunus aus seinen Erfahrungen und seinem Erfolg mit der Grameen Bank entstanden ist. Der Summit dient der Verbreitung des Social Business Gedanken, fördert Diskussionen und Zusammenarbeit und ermöglicht Zugang und Austausch über Erfahrungen zwischen Unternehmen, Regierungen, Organisationen, Zivilgesellschaften und Universitäten, um die Wirtschaft und sozialen Systeme positiv mitzugestalten. Der Kongress findet zum siebten Mal statt, vom 4.-7. November werden in Berlin über 1000 Teilnehmer aus 60 Ländern erwartet.