Mit Ultraschall lassen sich nicht nur Bilder aus dem Körper aufnehmen. Mittlerweile können ihn Mediziner auch nutzen, um Tumoren zu behandeln. Dazu zielen sie mit starken, gebündelten Ultraschallwellen so in den Körper des Patienten, dass dort die Krebszellen auf über 60 Grad Celsius erhitzt und zerstört werden. Das gesunde Gewebe dagegen bleibt weitgehend ungeschädigt. Bislang ist diese „fokussierte Ultraschalltherapie“ nur für wenige Erkrankungen zugelassen, etwa zur Behandlung von Prostatakrebs und bestimmten Gebärmutter-Tumoren. Im Rahmen des EU-Projekts FUSIMO arbeiten MEVIS-Forscher daran, das Einsatzfeld des Verfahrens auf Organe wie die Leber zu erweitern, die sich mit der Atmung im Bauchraum bewegen. Nun, zwei Jahre nach Projektstart, stellen sie erfolgversprechende Zwischenresultate vor.
Will man die Leber mit fokussiertem Ultraschall behandeln, stößt man auf ein gravierendes Problem: Das Organ bewegt sich mit der Atmung auf und ab – und damit auch der zu behandelnde Tumor. Dadurch steigt die Gefahr, dass der Ultraschallstrahl die Krebszellen verfehlt und das umgebende gesunde Gewebe zu stark erhitzt. Deshalb haben Forscher das Verfahren bislang nur bei Patienten unter Vollnarkose getestet: Um den Tumor zu beschallen, halten sie die Beatmungsmaschine für einige Sekunden an, damit der Patient in absoluter Ruhe verharrt. Allerdings stellt jede Vollnarkose ein Risiko dar und belastet den Patienten, was den großen Vorteil der fokussierten Ultraschalltherapie – die Nicht-Invasivität – schmälert.
Aus diesem Grund verfolgt das EU-Projekt FUSIMO eine andere Strategie: Gelingt es, die Ultraschall-Behandlung der sich bewegenden Leber realitätsnah per Computersimulation zu berechnen, würde die Möglichkeit näher rücken, das Organ auch ohne Vollnarkose beschallen zu können. Dazu würde man den Ultraschallstrahl entweder nur dann einschalten, wenn der Tumor sich gerade durch den Brennpunkt bewegt. Oder man könnte den Strahl so nachführen, dass er das sich bewegende Geschwür stets im Visier hat. FUSIMO, koordiniert von Fraunhofer MEVIS, erarbeitet die grundlegende Software für diese Vision.
Zwei Jahre nach Projektbeginn ist nun ein wichtiges Etappenziel erreicht: Die Experten haben eine Software erstellt, mit der sich eine Leber-OP per Ultraschall patientenindividuell simulieren lässt. Ausgangspunkt sind die Daten eines Magnetresonanz-Tomographen, der 3D-Bilder aus dem Bauchraum des Patienten liefert und zusätzlich dessen Atembewegung erfasst.
Auf der Basis dieses Datensatzes lässt sich der Ultraschall-Eingriff mit der FUSIMO-Software simulieren: Zu Beginn geben die Forscher ein, wann, wo und wie stark der Ultraschall aktiviert werden soll. Die von Fraunhofer MEVIS entwickelte Simulation der Temperatur im Bauchraum verbindet zwei Entwicklungen miteinander: die Berechnung der Ultraschallausbreitung durch die israelische Firma InSightec Ltd sowie ein Modell für die Bewegung der Leber während der Atmung, entstanden im „Computer Vision Labor“ der ETH Zürich. Das Ergebnis ist eine „Temperaturkarte“ des Bauchraums. Sie zeigt an, ob der sich bewegende Tumor stark genug erhitzt wurde und das umliegende Gewebe verschont blieb. Ist das Ergebnis nicht optimal, lässt sich die Simulation mit anderen Parametern wiederholen. Langfristig könnte die Software den Arzt bei der OP-Planung unterstützen und während der Therapie helfen, den Behandlungserfolg zu überwachen.
"Die fokussierte Ultraschalltherapie wird bereits häufig zur nicht-invasiven Tumorbehandlung eingesetzt, etwa bei Uterus-Fibroadenomen und Knochenmetastasen“, erklärte Carlo Catalano, Chefradiologe der römischen La Sapienza-Universität kürzlich auf dem Europäischen Radiologenkongress in Wien. „Doch die Tumorbehandlung in bewegten Organen ist nach wie vor eine große Herausforderung.“ Hier sei FUSIMO ein spannendes Projekt mit dem Ziel, eine Computersimulation für die Behandlung der Leber mit fokussiertem Ultraschall zu entwickeln.
Im verbleibenden Projektjahr wollen die MEVIS-Experten die Software verfeinern und gemeinsam mit dem Institute for Medical Science and Technology IMSaT der Universität Dundee und der Universität La Sapienza validieren, d.h. mit Daten aus Experimenten abgleichen – ein wichtiger Test für die Realitätstreue der Software. Im Prinzip ließe sich das Verfahren auch auf andere Organe im Bauchraum anwenden, die sich beim Atmen bewegen und vom Ultraschall-Strahl schwer zu treffen sind – z.B. Magen, Niere oder Zwölffingerdarm. Außerdem arbeiten die Fachleute an der Computersimulation eines „Medikamenten-Taxis“. Das Prinzip: Ein Krebsmedikament, eingeschlossen in kleine Fettkügelchen, wird in den Blutkreislauf verabreicht. Der gebündelte Ultraschallstrahl fungiert hier als Schlüssel, der die Fettkügelchen gezielt im Tumor öffnet, etwa in der Leber. Dadurch ließe sich die Wirksamkeit des Medikaments steigern, schädliche Nebenwirkungen würden verringert.
Über das FUSIMO Projekt:
FUSIMO steht für „Patient specific modelling and simulation of focused ultrasound in moving organs“. Das EU-Projekt startete Anfang 2011, läuft über drei Jahre und hat ein Finanzvolumen von rund 4,7 Mio. Euro. Beteiligt sind elf Institutionen aus neun Ländern. Koordiniert wird FUSIMO vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen. Am 21.3. findet in Brüssel die zweite Projektbegutachtung durch EU-Experten statt.