Im Juni startet die „Nationale Kohorte“ (NAKO), mit 200.000 Probandinnen und Probanden die bislang umfassendste Gesundheitsstudie Deutschlands. Zentraler Bestandteil sind MRT-Aufnahmen von bis zu 30.000 Menschen. Die Bilder dienen Wissenschaftlern dazu, wertvolle Erkenntnisse über die Entstehung von Erkrankungen zu gewinnen. In dem Projekt ist das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen für eine direkte Verfügbarkeit der Aufnahmen in verlässlicher Güte verantwortlich – eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Studie. Die MEVIS-Softwaresysteme erleichtern den an der Studie beteiligten Radiologen den Zugang zu den Bilddaten. Dadurch können die Experten Auffälligkeiten in den Aufnahmen schnell und verlässlich bemerken und bei einem ernsthaften Problem die Probanden umgehend informieren.
Wie entstehen Volkskrankheiten wie Diabetes, Krebs oder Demenz? Welchen Einfluss haben Gene, Umwelt und Lebenswandel? Diese Fragen beleuchtet die Nationale Kohorte. Die Resultate der auf zehn Jahre angelegten Studie sollen sowohl Vorbeuge- als auch Therapiemaßnahmen verbessern. Dazu werden seit Mai dieses Jahres 200.000 zufällig ausgesuchte Männer und Frauen zwischen 20 und 69 Jahren zu einem umfassenden Untersuchungsprogramm eingeladen. Während der bis zu vierstündigen Untersuchung prüft medizinisches Fachpersonal Gewicht, Blutdruck und Herzfrequenz der Probanden und fragt nach Lebensgewohnheiten und sozialem Umfeld. 40.000 dieser Testpersonen werden noch eingehender gecheckt. Bei ihnen werden beispielsweise eine 24-Stunden-Schlaf-Erfassung, ein Riechtest und eine 3D-Echokardiographie gemacht.
Ein weiteres zentrales Element der Langzeitstudie: 30.000 Probanden werden mit dem Magnetresonanz-Tomographen (MRT) untersucht. Ohne schädliche Röntgenstrahlung nimmt das Gerät 3D-Bilder aus dem Körperinneren auf. Zunächst erfolgt ein Ganzkörper-Scan bei relativ geringer Bildauflösung. Anschließend werden Gehirn, Herz und Skelett genauer unter die Lupe genommen. „Dafür wurden MR-Scanner für fünf Standorte angeschafft“, sagt MEVIS-Projektleiter Prof. Matthias Günther. „Damit die Daten aus diesen fünf Standorten vergleichbar sind, verwenden wir überall den identischen Gerätetyp, und die Untersuchungen folgen stets demselben Ablauf.“
Läuft in einem der fünf MRT-Zentren ein Scan, werden die Daten umgehend auf den Server in Bremen hochgeladen. Dabei sind Datenschutz- und Datensicherheitsaspekte in hohem Maße berücksichtigt: so werden alle Daten „pseudonymisiert“ aufgenommen, d.h. die Namen der Probanden sind durch Kennziffern ersetzt. Anschließend werden die Bilder mit gesicherten Verbindungen nach Bremen übertragen. Pro Proband fallen bis zu 6.000 Bilder an, zusammen ergeben sie ein Datenvolumen von etwa drei Gigabyte.
An dieser Stelle setzt die Arbeit der MEVIS-Experten ein – das Fraunhofer-Institut dient als zentrale Sammelstelle, um die medizinischen Bilddaten vorzuverarbeiten und auf ihre Konsistenz zu checken. Die in Bremen bearbeiteten Daten werden von den an der Studie mitarbeitenden Radiologen auf Zufallsergebnisse überprüft und in die Langzeitarchive der Universität Greifswald und des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg geschickt.
Zunächst kommt eine Software zur Qualitätssicherung zum Einsatz: „Sie analysiert automatisch die Qualität der Bilddaten und gewährleistet damit deren Vergleichbarkeit“, sagt Günther. So überprüft die Software, ob alle Daten vorhanden sind oder etwas fehlt. Falls Bilder doppelt gemacht wurden, bestimmt sie, welches von beiden für das sog. Reading, also die Zufallsbefundung, verwendet werden soll. Ferner prüft die Software alle relevanten Messparameter und merkt, wenn einer der MR-Scanner einen Bildfehler erzeugt hat oder eine Aufnahme „verwackelt“ ist, weil sich der Proband im Scanner bewegt hat. „Abweichungen melden wir sofort an die Zentren, so dass das Personal dort erfährt, wenn etwas schiefgelaufen ist“, erläutert Günther. „Dadurch lässt sich verhindern, dass derselbe Fehler bei der nächsten Aufnahme erneut auftritt.“
Wenn in den nächsten Jahren bis zu 30.000 Probanden per MRT untersucht werden, dürfte man bei einigen von ihnen Krankheitsanzeichen entdecken – etwa Tumoren im Frühstadium, von denen der Proband zwar noch nichts merkt, die aber bald gefährlich werden können. Deshalb werfen bereits Radiologen an jedem der fünf MRT-Standorte einen Blick auf die Bilder. Das Ziel: Innerhalb weniger Tage nach dem Scan sollen die Probanden über das mögliche Problem informiert werden – die Voraussetzung für eine schnelle Diagnose oder gar Behandlung.
Um das zu schaffen, folgt Fraunhofer MEVIS einem browserbasierten Ansatz zur Fernüberprüfung. Anstatt die kompletten, qualitätsgesicherten Bilddaten via Internet von Bremen an die fünf MRT-Zentren sowie zum Reading-Center nach Heidelberg zu schicken, können sich die Radiologen die Aufnahmen einfach per Webbrowser anschauen, ohne die Originaldaten herunterladen zu müssen. Diese Lösung integriert sich in eine webbasierte Plattform, die an der Universitätsmedizin Greifswald und am DKFZ Heidelberg entwickelt und betrieben wird und als zentrale Anlaufstelle für die standardisierte Eingabe aller NAKO-Untersuchungsdaten fungiert. „Dieser webbasierte Zugang erleichtert und beschleunigt den schnellen Zugang zu den Informationen, so dass die Mediziner mögliche Auffälligkeiten ohne Verzögerung finden können“, erläutert Matthias Günther. „Außerdem teilt ihnen unsere Software mit, ob bereits dem Radiologen am MRT-Standort etwas aufgefallen ist.“
Vier Jahre lang werden die MR-Scanner Bilder für die Nationale Kohorte liefern, für diesen Zeitraum ist die Langzeitstudie finanziert. „Sinnvoll wäre es, die Probanden danach noch ein zweites Mal zu untersuchen“, meint Günther. Denn aus einem Vorher-Nachher-Vergleich ließen sich weitere wertvolle Schlüsse über die Entstehung von Krankheiten ziehen. Günther: „Das ist angestrebt, ein Beschluss für diese zweite Phase steht aber noch aus.“
Die Nationale Kohorte (NAKO)
Gemeinsam forschen für eine gesündere Zukunft, das ist der Leitgedanke der Nationalen Kohorte (NAKO), der zurzeit größten Bevölkerungsstudie in Deutschland. Bundesweit werden im Verlauf der nächsten Jahre 200.000 Männer und Frauen zwischen 20 und 69 Jahren in 18 Studienzentren medizinisch untersucht und nach ihren Lebensumständen befragt. Mithilfe der gesammelten medizinischen Daten, Bioproben und Befragungsangaben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden chronische Erkrankungen genauer erforscht. Langfristig versprechen sich die Wissenschaftler der NAKO Antworten auf folgende Fragen: Wie entstehen diese Krankheiten? Gibt es Faktoren, die ihre Entstehung begünstigen? Welche Rolle spielen zum Beispiel unsere Gene, die Umwelteinflüsse, denen wir ausgesetzt sind, soziale Kontakte oder aber unser Lebensstil? Können wir uns vor diesen Krankheiten schützen? Wie können diese Krankheiten frühzeitig erkannt werden? Finanziell gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, 14 Bundesländern und der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.