Tumoren entfernen ohne Skalpell und Röntgenstrahlung - das ist mit einer speziellen Art von Ultraschall möglich. Dabei werden starke, gebündelte Ultraschallwellen so in den Körper des Patienten gerichtet, dass sie dort gezielt Krebszellen erhitzen und abtöten. Dieses noch junge und schonende Therapieverfahren will ein neues EU-Projekt nun auf bewegte Organe übertragen, insbesondere die Leber. Koordiniert wird das Projekt "TRANS-FUSIMO" vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen.
Derzeit ist die "fokussierte Ultraschalltherapie" nur für wenige Erkrankungen zugelassen - Prostatakrebs und manche Gebärmutter-Tumoren. Sie lassen sich schonend ohne Schnitt oder Strahlenbelastung bekämpfen. Dagegen können Lebertumoren noch nicht per Ultraschall behandelt werden. Der Grund: Die Leber bewegt sich beim Atmen auf und ab - was es schwieriger macht, mit dem gebündelten Ultraschallstrahl auf einen Tumor in dem Organ zu zielen. Durch die Bewegung wird die Wärme über einen größeren Bereich verteilt und kann dadurch nicht wie gewünscht wirken. Außerdem erhöht sich gegenüber einem ruhenden Organ das Risiko, statt des Geschwürs das umliegende gesunde Gewebe zu schädigen oder nicht den gewünschten Behandlungserfolg zu erzielen. In diesem Fall ist ein erneutes Wachsen des Tumors, ein Rezidiv, nicht ausgeschlossen.
In den vergangenen drei Jahren hatte MEVIS im Rahmen des EU-Projekts FUSIMO ("Patient Specific Modelling and Simulation of Focused Ultrasound In Moving Organs", www.fusimo.eu) die Grundlagen dafür gelegt, das Verfahren auch auf bewegte Organe wie die Leber anwenden zu können. Ausgangspunkt sind 3D-Aufnahmen eines Magnetresonanz-Tomographen (MRT), der Bilder aus dem Bauch eines Patienten liefert und gleichzeitig dessen Atembewegung erfasst. Auf Basis dieser Daten können die Experten eine Ultraschall-Leberbehandlung per Computer simulieren.
Bei dieser Simulation berechnet die Software, wie sich die Leber mit der Atmung bewegt. Dadurch kann sie den virtuellen Ultraschallstrahl so steuern, dass er automatisch der Leber nachgeführt wird und den Tumor stets im Visier hat. "Solche Simulationen könnten es den Medizinern künftig erlauben, komplexe Ultraschall-Eingriffe patientenindividuell und detailliert zu planen", sagt MEVIS-Wissenschaftler Jan Strehlow. "Das ist gerade bei bewegten Organen wichtig und kann darüber entscheiden, ob die Therapie bei einem Patienten überhaupt durchführbar ist." Außerdem könnten die Computersimulationen dazu beitragen, die Dauer der Ultraschall-Behandlung zu verringern.
Mit dem EU-Projekt TRANS-FUSIMO gehen die Experten nun den nächsten Schritt: Sie wollen das Prinzip von der virtuellen in die reale Welt übertragen und ein anwendungsreifes System entwickeln, mit dem sich Patienten behandeln lassen. Dabei soll ein MR-Scanner mit einem starken Ultraschall-Sender sowie einem herkömmlichen Ultraschallgerät kombiniert werden. Letzteres beobachtet in Echtzeit, während der Patient im MR-Scanner liegt, wie sich die Leber beim Atmen bewegt. Auf der Basis dieser Daten errechnet dann eine Steuersoftware den Weg, den der starke Ultraschallstrahl nehmen muss, damit er den Lebertumor trotz der Atembewegung immer im Visier behält. Während der Behandlung nimmt der MR-Scanner die Temperaturverteilung im Bauchraum auf. Dadurch können die Mediziner genau kontrollieren, ob die Ultraschallwellen den Tumor wie gewünscht treffen.
Fraunhofer MEVIS koordiniert das EU-Projekt und entwickelt die Steuersoftware. "Ziel ist ein produktfähiges System, für das wir eine klinische Zulassung anstreben", sagt MEVIS-Forscherin Sabrina Haase. Bis 2016 soll die Technik zunächst bei Patienten unter Vollnarkose getestet werden, deren Atem künstlich angehalten wird, sodass sich die Leber für kurze Zeit nicht bewegt. 2018 sollen dann erstmals Patienten ohne Narkose und unter freiem Atmen therapiert werden. Verlaufen die klinischen Studien positiv, könnte das neue Verfahren zugelassen werden.
TRANS-FUSIMO
TRANS-FUSIMO steht für „Clinical Translation of Patient-Specific Planning and Conducting of FUS Treatment in Moving Organs“. Das EU-Projekt startete im Januar 2014, läuft über fünf Jahre und hat ein Finanzvolumen von insgesamt rund 5,6 Mio. Euro. Beteiligt sind zehn Institutionen aus sieben Ländern, neben Kliniken und Universitäten auch vier Medizintechnik-Unternehmen. Koordiniert wird TRANS-FUSIMO vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen. www.trans-fusimo.eu