Im Rahmen des „Wissenschaftsjahres 2014 – Die digitale Gesellschaft“ hat die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) 39 Frauen und Männer ausgewählt, die für eine neue Generation digitaler Denker und Macher stehen. Diese „digitalen Köpfe“ aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zeigen, wo die Herausforderungen der Zukunft liegen und dass digitale Exzellenz in Deutschland Zukunft hat. Einer dieser kreativen Köpfe ist Dr. Horst Hahn, Professor an der Jacobs-Universität und einer der beiden Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen. Das gab die Gesellschaft für Informatik heute in Berlin bekannt.
Hahn (41) ist Physiker und promovierter Informatiker und hat den Aufbau von Fraunhofer MEVIS maßgeblich geprägt. Das Institut befasst sich mit der Entwicklung anwendungsreifer Softwaresysteme für die bildgestützte Früherkennung, Diagnose und Therapie. Dabei stellt die Digitalisierung, die immer weiter in die Medizin Einzug hält, eine Grundvoraussetzung dar.
So wurden Röntgenbilder bis vor kurzem noch auf Filmen aufgenommen und betrachtet. Durch die Digitalisierung, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten allmählich in der Medizin etabliert hat, können Ärzte die Bilder auf dem Rechner betrachten und mit spezialisierten Programmen detaillierter als früher begutachten. Die von Fraunhofer MEVIS entwickelten Programme erleichtern die Datenanalyse und kitzeln verborgene Informationen aus den Bildern heraus. Damit unterstützen sie den Arzt bei der Diagnose. Die Befundung wird treffsicherer und verlässlicher.
Außerdem kann das automatische Wiederfinden bereits bekannter Befunde, etwa bei der Therapie-Nachsorge, die Abläufe beschleunigen und damit kostengünstiger machen. Da mittlerweile auch andere wichtige Informationen über den Krankheitsverlauf in der Mehrzahl der Fälle digital vorliegen, lassen sich künftig ganze Patientengruppen detailliert miteinander vergleichen. Das versetzt die Ärzte in die Lage, für jeden Einzelfall die optimale Therapie auszuwählen.
„Die Digitalisierung ist dabei, die Medizin massiv zu verändern, doch ihr Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft“, betont Hahn. „Die Software, die wir bei MEVIS entwickeln, erlaubt es, deutlich effizienter mit den Daten umzugehen.“ Horst Hahn war an der Konzeption des Programmpakets MeVisLab beteiligt. Mit dem Forschungswerkzeug lassen sich Softwarelösungen nicht nur rasch finden, sondern auch sorgfältig prüfen, iterativ verbessern und auf Produktniveau bringen. Heute wird MeVisLab, das einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass MEVIS und seine Ausgründungen 2006 mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet wurden, von zahlreichen Forschern in aller Welt genutzt, auch aus der Industrie. So hat ein führendes Medizintechnikunternehmen kürzlich eine in Bremen mit MeVisLab entwickelte Software auf den Markt gebracht, die Chirurgen bei der Risikoanalyse und Planung von Leber-OPs unterstützt.
Mit dem Thema der Leberchirurgie beschäftigen sich die Bremer bereits seit 20 Jahren, nicht nur im Bereich der Planung. So unterstützt eine neue App für Tablet-Computer Leberchirurgen, indem sie digitale Planungsdaten direkt am OP-Tisch bereitstellt und das komplexe Gefäßsystem im Organ sichtbar macht. Auch die Strahlentherapie kann von intelligenten Softwaresystemen profitieren: Hier arbeiten Hahn und seine Kollegen an adaptiven Programmen, die präzise erfassen, wie sich die Anatomie des Patienten während einer Bestrahlung verändert, etwa durch die Atmung oder durch die Verkleinerung des Tumors im Laufe der mehrwöchigen Therapie. Dadurch lassen sich die hochenergetischen Strahlen genauer auf das Zielgebiet lenken.
Ein weiterer Schwerpunkt von Hahns Aktivitäten: Er entwickelt Software für eine verbesserte Brustkrebs-Diagnostik. „Die Standardmethode für die Früherkennung ist die Mammographie“, erläutert der Wissenschaftler. „Doch nicht für alle Frauen liefert sie ein optimales Ergebnis, in manchen Fällen ist eine Ultraschall-Untersuchung oder sogar MRT sinnvoll“. Die in Bremen entworfenen Programme helfen, die Daten der verschiedenen bildgebenden Methoden intelligent zu kombinieren und das Maximum aus den Daten herauszuholen – in der Hoffnung, dass sich bösartige Tumoren möglichst frühzeitig erkennen und erfolgreich behandeln lassen.
„All diese Verfahren sollen die Mediziner nicht etwa ersetzen, sondern sie unterstützen“, betont Horst Hahn. „Die Entscheidungen trifft nach wie vor der Arzt, doch der Rechner kann Diagnosen und Therapien deutlich verbessern und sicherer machen.“ Als einer der 39 „digitalen Köpfe“ trägt der Bremer Physiker entscheidend dazu bei, die Medizin von Morgen mitzugestalten.