Präzise Planung für die Herz-OP

Präzise Planung für die Herz-OP

© Fraunhofer MEVIS
Mit bildbasierten anatomischen Modellen können wir verschiedene Therapiestrategien für die Herzklappen simulieren und vergleichen.

Operationen an der Herzklappe sind oft hochkomplex und müssen genauestens vorbereitet werden. Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS entwickelt zusammen mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin und der Charité ein Assistenzsystem, das die Planung der Eingriffe mit Hilfe von Virtual Reality erleichtern soll. Auch Patienten dürften künftig von der neuen Technik profitieren.

 

Wenn die Herzklappe nicht mehr richtig schließt, ist oft ein Eingriff nötig. Bei diesen Operationen werden zum Beispiel spezielle Ringe oder auch Fäden in jenen Bereich eingenäht, den die Klappe verschließen soll – sie sollen dafür sorgen, dass sich die Klappensegel beim Schließen wieder aneinanderlegen. Zum Teil erfolgen diese Operationen nach wie vor am offenen Herzen. Doch mehr und mehr kommen auch patientenschonende minimalinvasive Eingriffe zum Einsatz.

„Herzklappen-OPs können sehr komplex sein, oft werden dabei verschiedene Maßnahmen miteinander kombiniert“, sagt MEVIS-Forscherin Anja Hennemuth, Professorin am Institut für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin (ICM), einer Gemeinschaftseinrichtung der Charité und des Deutschen Herzzentrums Berlin. „Oft muss das Team dann während der OP viele schnelle Ad-hoc-Entscheidungen treffen.“ Um mögliche Fehler zu vermeiden und das Risiko für die Patienten zu minimieren, muss eine fundierte Planung des Eingriffs erfolgen.

An dieser Stelle will Fraunhofer MEVIS die Mediziner unterstützen: Das Institut entwickelt ein KI-gestütztes Assistenzsystem, das die Planung und Durchführung von Herzklappen-OPs optimieren und dadurch die Qualität der Operationen verbessern soll. Konkret soll das Team bereits während der Vorbesprechung die Möglichkeit haben, den Eingriff am Rechner realitätsgetreu zu simulieren. Um zur bestmöglichen Strategie zu kommen, können die Fachleute dabei mehrere Alternativen durchprobieren. Zum Beispiel: Welche Art von Ring eignet sich am besten, an welcher Stelle genau sollte er eingesetzt werden?

 

KI analysiert Herzbewegung

Den Ausgangspunkt für das neue Assistenzsystem bilden Bewegtbilder, etwa aus dem Ultraschall, dem CT- oder dem MRT-Scanner und können zum Beispiel verraten, wenn die Mitralklappe, durch die das Blut ins Herz strömt, nicht mehr richtig schließt. „Aus diesen Bilddaten extrahieren wir mit Hilfe von Methoden aus der Computergrafik ein anatomisches Modell des Patienten“, erläutert Hennemuth. „Dieses digitale Modell stellt das Herz nicht nur dar, sondern zeigt wie in einem 3D-Film, wie sich die Klappen schließen.“ Bei der Erstellung dieses Modells spielt die Künstliche Intelligenz (KI) eine tragende Rolle. Lernfähige Algorithmen können die einzelnen Strukturen in den Bilddaten erkennen sowie die Bewegung der Herzklappen äußerst schnell analysieren und ins digitale Herzmodell übertragen.

Anschauen lässt sich das digitale Modell dann per AR/VR-Brille – das schlagende Herz schwebt in 3D direkt vor einem und kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Alternativ lässt es sich aber auch ganz konventionell am Bildschirm darstellen und per Maus in alle Richtungen bewegen – interessant unter anderem für Fachleute, die von außerhalb per Internet an der Besprechung teilnehmen. An diesem Modell kann das Team dann während der Vorbesprechung den Eingriff vorabsimulieren: Zum Beispiel können die Fachleute an verschiedenen Stellen virtuelle Nähte einziehen oder Ringe von unterschiedlicher Größe anbringen. Anschließend können sie prüfen, welche der Maßnahmen die günstigste Wirkung auf die Bewegung der Herzklappe haben dürfte.

 

Unterstützung auch im OP-Saal

Doch das neue MEVIS-Konzept reicht noch weiter – und zwar bis in den Operationssaal hinein. Hier lassen sich während des Eingriffs die Bilder von virtuellem und realem Herz nebeneinander oder sogar übereinanderlegen. Damit kann sich das Team den geplanten Eingriff an Ort und Stelle buchstäblich nochmals vor Augen führen.

Die Bausteine für das neue Konzept haben die MEVIS-Fachleute gemeinsam mit ihren Projektpartnern bereits entwickelt und getestet. Unter anderem haben sie eine Datenbank mit den derzeit verfügbaren Klappenringen erstellt und ihr Modell mit den Ergebnissen realer Eingriffe verglichen. Im März 2021 startete ein Projekt namens MINIMAKI. „Hier geht es drum, die Einzelelemente zusammenzuführen“, sagt Anja Hennemuth. „Außerdem arbeiten wir daran, die 3D-Interaktionen zu vereinfachen, damit die Mediziner das neue Assistenzsystem möglichst intuitiv nutzen können.“

Eine der Herausforderungen: Manche Fachleute wie auch Patienten empfinden den Einsatz von VR-Brillen als lästig und störend, etwa weil die Brillen die Mimik des Gegenübers verdecken – Aspekte, die Fraunhofer MEVIS in Zusammenarbeit mit Medizinethikern im Rahmen des neuen Projekts erforscht. „Zum Glück werden AR-Brillen mit der Zeit immer leichter und damit angenehmer zu tragen“, betont Hennemuth. „Aber wir arbeiten auch an einer Variante, bei der man auf ein Tablet oder einen Rechner ausweichen kann.“ Eine erste Komplettversion des neuen Assistenzsystems soll in zwei bis drei Jahren fertig sein. Bald darauf könnte es in den ersten Kliniken zum Einsatz kommen und sowohl den Medizinern als auch die Patienten die Vorbereitung auf eine Herzklappen-OP erleichtern.