Präzisere Überwachung von Tumortherapien
Krebspatienten müssen in der Regel regelmäßig zur Kontrolluntersuchung. Dabei geht es oft um die Frage, wie gut eine neue Therapie anspricht. Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS arbeitet an einer KI-gestützten Methode, mit der sich diese Nachkontrollen künftig schneller und genauer ausführen lassen.
Seit einiger Zeit erhält der Patient eine Chemotherapie. Nun möchte seine Ärztin wissen: Wie gut hat das Medikament gewirkt, ist der Tumor wie erhofft geschrumpft? Oder sollte man lieber auf ein anderes Präparat umschwenken? Um das festzustellen, wird in der Regel nach drei Monaten eine CT-Aufnahme gemacht und mit dem Bild verglichen, das zu Beginn der Behandlung aufgenommen wurde. Bislang geschieht dieser Vergleich per Augenmaß und mit relativ einfachen elektronischen Hilfsmitteln, die den Durchmesser des Tumors vermessen können. Fraunhofer MEVIS entwickelt ein Verfahren, das diesen Vorher-Nachher-Vergleich automatisch erledigt und dadurch Zeit spart und genauere Befunde erlaubt.
Derzeit ist der Vergleich von alten und neuen Bildern relativ aufwendig. Um sicherzugehen, dass ihnen keine neu entstandenen Metastasen entgehen, müssen sich die Fachkräfte Schicht für Schicht durch dreidimensionale CT-Datensätze arbeiten – eine zeitraubende Angelegenheit. Ein weiteres Manko: „Nur den Durchmesser eines Tumors zu erfassen, ist relativ ungenau“, sagt MEVIS-Forscher Jan Hendrik Moltz. „Tumoren und Metastasen sind dreidimensionale Objekte, und eine Änderung ihres Durchmessers gibt nicht unbedingt wieder, wie sich das Volumen des Tumors durch die Therapie verändert hat, also die eigentlich relevante Größe.“
Bilder besser vergleichen
Um das Ansprechen auf eine Therapie schneller und genauer prüfen zu können, arbeitet das Team an einer automatischen Lösung. Zum einen wollen die Fachleute den Vergleich der Bilder vereinfachen, und zwar mit einer Methode namens Registrierung. Dabei schafft es der Rechner, dieselben Bildausschnitte in zwei verschiedenen Aufnahmen so aufeinanderzulegen, dass sie direkt miteinander verglichen werden können: Klickt man im neuen Bild eine bestimmte Position an, wird im alten automatisch die entsprechende Position markiert.
Dadurch kann das Personal besser und einfacher erkennen, ob Metastasen verschwunden sind oder sich neue gebildet haben. Unterschiede in den Bildern soll das System automatisch visualisieren, etwa durch Markierungen oder Hervorhebungen. „Beim Thema Registrierung ist Fraunhofer MEVIS gut aufgestellt“, erzählt Moltz. „Radiologen sind oft begeistert, wie gut das funktioniert.“
Anspruchsvoller ist der zweite Schritt – die präzise und automatische Messung des Tumorvolumens. Die Voraussetzung dafür ist eine genaue Segmentierung: Dabei soll der Computer von selbst im CT-Bild erkennen, was ein Tumor ist und was nicht. Zwar gibt es solche Verfahren bereits seit einiger Zeit. Bislang aber bedürfen sie meist einer Nachkorrektur durch den Menschen und sind deshalb für den Alltag in Krankenhäusern und Arztpraxen nur bedingt brauchbar. „Hier dürften Deep-Learning-Technologien entscheidende Fortschritte bringen“ meint Moltz. „Damit hoffen wir das System für die klinische Routine einsatzfähig zu machen.“
KI erkennt Tumoren
Dazu trainieren die Fachleute einen Segmentierungs-Algorithmus mit umfangreichen CT-Datensätzen. Diese Daten enthalten präzise Informationen darüber, wie Tumoren und Metastasen auf der Aufnahme aussehen und wie sie sich vom umliegenden Gewebe unterscheiden. Zusätzlich wollen Moltz und seine Kollegen das Wissen aus früheren Arbeiten mit einbeziehen. „Bei der Segmentierung besitzen wir viel Erfahrung“, sagt der Informatiker. „Das unterscheidet uns von Gruppen, die erst jetzt anfangen und auf rein datenbasierte Ansätze setzen.“
Als erstes möchte sich das Fraunhofer-Team auf Lunge und Leber konzentrieren, zwei für die Onkologie besonders relevante Organe. Langfristig aber soll der Algorithmus in der Lage sein, Metastasen im ganzen Körper zuverlässig aufzuspüren und präzise zu vermessen. Zusätzlich will die Arbeitsgruppe versuchen, neben dem Tumorvolumen auch noch weitere Parameter aus der Segmentierung zu gewinnen. Die könnten zum Beispiel auf die Zusammensetzung des Tumorgewebes schließen lassen und dadurch ebenfalls Veränderungen des Tumors beschreiben – was zusätzliche Informationen über das Therapieansprechen liefern sollte.
Ein erster Prototyp, der die Registrierung demonstriert, soll in einem Jahr fertig sein. In fünf Jahren könnte dann eine Software vorliegen, die eine automatische Tumor-Segmentierung für Organe wie Leber und Lunge liefert.