Ab dem Schuljahr 2025/26 wird es ein neues Angebot für Bremer Schüler:innen an der gymnasialen Oberstufe am Waller Ring geben, die einen Gesundheitsschwerpunkt hat: Vor einiger Zeit genehmigte die Schulbehörde das Profil »Digitale Medizin«. Es beleuchtet jenen Teil der Medizin, der sich damit befasst, wie man mit digitalen Methoden die Gesundheitsversorgung verbessern kann. Die Rolle bildgebender Verfahren und Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) sind dafür prominente Beispiele. Das Profil wird in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS angeboten. Jetzt startet der erste Probelauf an der MEVIS-Partnerschule Oberschule am Waller Ring (vormals Teil des Schulzentrums Walle). Er ermöglicht interessierten Schüler:innen, einen Blick in die zukünftigen Berufsfelder der Medizin zu werfen.
Die Abläufe in der Medizin werden in hohem Tempo immer komplexer. Ohne gezielte Computerunterstützung sind sie nicht mehr zu bewältigen, etwa wenn es um Detailfragen bei Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten geht. Unter Zuhilfenahme von Computerprogrammen versuchen Mediziner:innen, Krankheiten früher und genauer zu erkennen, Therapiemöglichkeiten abzuwägen und auch Nebenwirkungen stark zu verringern.
Unerlässlich hierfür ist die Verfügbarkeit und Nutzung von Daten. Die Datenvernetzung spielt in der digitalen Medizin eine immer wichtigere Rolle. Daten und die aus ihnen gewonnenen Erkenntnisse werden aus unterschiedlichen Bereichen und aus mehreren Kliniken zusammengeführt, um daraus zu lernen. Die elektronische Patientenakte setzt sich immer mehr durch. In Kliniken kommen zunehmend digitale Assistenten zum Einsatz. Die Entwicklung neuer KI-Tools wird diesen Trend beschleunigen. So können die Algorithmen helfen, Tumoren frühzeitig auf Röntgenbildern zu erkennen, oder datengestützte Hinweise für die aussichtsreichste Therapie geben. Allerdings birgt die Entwicklung auch Risiken: Wie bleibt der Datenschutz gewährleistet, wenn die Programme mit Unmengen an medizinischen Daten trainiert werden?
Das neue Oberstufen-Profil »Digitale Medizin« greift diese Thematik mit Unterrichtsmodulen und einem fächerübergreifenden Ansatz auf. Es richtet sich an Schüler:innen, die sich für das Berufsfeld interessieren, und zeigt ihnen Perspektiven auf, die über ein klassisches Medizinstudium hinausgehen. Insbesondere soll es die hohe Bedeutung von Mathematik, Physik und Informatik in der Verzahnung mit den Lebenswissenschaften für die kommenden Entwicklungen verdeutlichen. Der Ansatz erlaubt eine differenzierte Erprobung und Bewertung neuer Technologien, die in der digitalen Medizin zum Einsatz kommen und ermöglicht es den Schüler:innen, sich mit den vielfältigen Aspekten der Thematik praxisnah und kontextbezogen auseinanderzusetzen.
Fraunhofer MEVIS hat das Konzept gemeinsam mit Lehrkräften der Oberstufe am Waller Ring erarbeitet. Zentrales Element sind Unterrichtsmodule, auf die das Lehrpersonal zurückgreifen kann. Am Beispiel der Diagnose und Behandlung einer Tumorerkrankung thematisieren sie, an welchen Stellen in der Medizin digitale Werkzeuge schon heute zum Einsatz kommen, welches wissenschaftliche Know-how dahintersteckt und was die Forschung künftig möglich machen könnte. So können KI-Tools bereits beim Erstgespräch helfen, indem sie vorhandene Untersuchungsergebnisse zusammenführen und auswerten. Bei der Analyse von CT- oder MRT-Bildern unterstützen Algorithmen das Fachpersonal dabei, einen Tumor zu erkennen und präzise zu vermessen. Und während einer Therapie können sie bei der Abschätzung helfen, ob die Behandlung angesprochen hat oder nicht.
Diese Module lassen sich in allen Fächern des Profils als Querschnittsthemen behandeln. Konkret gestaltet sich das so: Sämtliche Schüler:innen belegen für drei Jahre den Leistungskurs Biologie, der die Angebote und die Kooperation koordiniert. Das Profilfach Informatik vermittelt Grundlagen und ermöglicht eine enge Anbindung an die Forschungsbereiche und Arbeitsmethoden am Fraunhofer MEVIS. Gleiches gilt für das Pflichtfach Mathematik. Das Projekt »Modellregion Industriemathematik« (MOIN), an dem MEVIS im Rahmen des Teilprojektes »Campus-Nachbarschaft-Sichtbarkeit« mitwirkt, erlaubt ein besonderes Augenmerk auf die Mathematik in den Modulen zu setzen. Als Vertiefung lässt sich zudem das Fach Mathematik als Leistungskurs mit erhöhter Stundenanzahl wählen. Das Profilfach Psychologie ergänzt die thematische Ausrichtung und erweitert das Themenfeld.
Ergänzend dazu bietet Fraunhofer MEVIS regelmäßige Einblicke in den Forschungsalltag an, um dadurch außerschulische Angebote systematisch in den Schulalltag zu integrieren, etwa in Form von Vorträgen, Workshops und gemeinsamen Diskussionen mit Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen. Sie berichten von ihrer Arbeit im Wissenschaftsbetrieb, von ihren Fortschritten, aber auch den Hindernissen. Forscherinnen wollen zeigen, dass Informatik, Mathematik und Physik längst keine männliche Domäne mehr sind und dadurch junge Frauen für ihren Arbeitsbereich interessieren.
Einen besonderen Ansatz verfolgen STEAM-Workshops (STEAM steht für Science, Technology, Engineering, All other disciplines and Mathematics). Die Kontextualisierung etwa von Mathematik und KI bietet den Schüler:innen die Gelegenheit, sich den Themen mit anderen Herangehensweisen, beispielweise künstlerischen Prozessen, zu nähern und auf diese Weise einen erweiterten Zugang zur digitalen Medizin zu gewinnen.