Wichtigen Lebensprozessen auf der Spur
Ultraschall und MRT zählen zu den wichtigsten bildgebenden Verfahren der Medizin. Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin entwickelt Software-Lösungen, die die Bildaufnahme optimieren und das Verfolgen von Körperfunktionen erleichtern.
Ein MR-Scanner erlaubt patientenschonende 3D-Aufnahmen aus dem Körperinneren. In der Regel nimmt das Gerät dabei Standbilder auf. Doch die Technik kann einiges mehr: Sie kann Lebensprozesse sichtbar machen, etwa wie sich das Blut in feinsten Hirngefäßen verteilt. „Mit dieser physiologischen Bildgebung lassen sich Erkrankungen zum Teil früher erkennen als mit gewöhnlichen MR-Scans“, sagt MEVIS-Forscher Daniel Hoinkiss. „So äußert sich ein Schlaganfall zunächst in einer Störung der Gehirndurchblutung und erst später als strukturelle Veränderung in einem konventionellen MRT-Bild.“
Auch neurologische Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson könnte die physiologische Bildgebung frühzeitig aufspüren, ebenso Tumoren. Und je früher die Diagnose, umso besser sind die Therapiechancen. Nur: Bislang kommt die physiologische MR-Bildgebung erst in wenigen Kliniken zum Routineeinsatz. Die Gründe dafür sind die schwierige Bedienung und eine gewisse Fehleranfälligkeit. Die Bildgebung ist deutlich komplexer als bei einem konventionellen MR-Scan: Es bedarf spezialisierter Fachkräfte, die vor jeder Untersuchung diverse Parameter einstellen und auf die jeweiligen Patienten anpassen müssen.
Diese Hürde möchte Fraunhofer MEVIS aus dem Weg räumen: Das Ziel: Die physiologische Bildgebung soll so einfach wie eine gewöhnliche MR-Aufnahme gestaltet werden, um sie für die Routine-Diagnostik zugänglicher zu machen. „Das Personal muss nur einen Knopf drücken, und eine Software passt die MR-Sequenz automatisch an den Patienten an“, beschreibt Hoinkiss‘ Kollegin Nora-Josefin Breutigam die Vision. „Danach muss man nur noch warten, bis das Bild aufgenommen ist.“
Algorithmus gleicht Bewegung aus
Möglich machen soll das eine Kombination aus mehreren innovativen Methoden. Eine davon soll folgendes Problem lösen: Die Bildaufnahme in der Scanner-Röhre dauert mehrere Minuten – eine Zeit, in der sich die meisten Patienten unweigerlich bewegen, was die Bildaufnahme natürlich stört. „Dem wollen wir mit einer adaptiven Technik entgegenwirken, die diese Bewegung laufend korrigiert“, erklärt Hoinkiss. „Merkt die Software zum Beispiel, dass der Patient um einen Millimeter zur Seite gerutscht ist, korrigiert sie den MR-Scanner so, dass er denselben Körperbereich wie zuvor aufnimmt.“
Besonderes Augenmerk legen die Fachleute auf eine MRT-Durchblutungsmessung, die ohne Kontrastmittel auskommt. Bei dieser wird Blut im Halsbereich magnetisch markiert. Wenn dieses Blut dann im Gehirn angekommen ist, startet eine MR-Aufnahme. Durch den Vergleich mit einer Referenzmessung kann das Blut sichtbar gemacht werden, welches in der Zeit zwischen Markierung und Aufnahme im Gehirn eingeströmt ist. Bei dieser Technik spielt der Zeitpunkt der MR-Aufnahmen eine große Rolle – es ist wichtig, den richtigen Moment zu erwischen, an dem sich das markierte Blut im Gehirn verteilt. „Das passiert bei jedem Menschen anders“, beschreibt Breutigam. „Deshalb entwickeln wir eine Software, die dafür sorgt, dass der MR-Scanner nicht den falschen Zeitpunkt aufnimmt.“
Außerdem entwickeln die Fachleute einen Algorithmus, der irrelevante Signale automatisch unterdrückt. Denn um physiologische Prozesse zu beobachten, muss man überaus kleine Signalveränderungen erfassen können. Dafür ist es wichtig, unbeteiligte Gewebetypen auszublenden. Genau das soll der neue Algorithmus leisten und dadurch die eigentlich relevanten Signale deutlicher hervortreten lassen.
Schneller Ultraschall
Auch bei einem anderen Verfahren wird die physiologische Bildgebung immer wichtiger – dem Ultraschall. Hier benötigen die behandelnden Mediziner eine spezielle Ausbildung sowie viel Erfahrung, um die Ultraschallgeräte bestmöglich zu bedienen. Fraunhofer MEVIS plant Systeme, die gerade jungen Fachkräften den Umgang mit der Technik erleichtern. „Eine Software soll die Ultraschallbilder in Echtzeit analysieren und zum Beispiel feststellen, dass die Aufnahme Bildfehler enthält“ erläutert MEVIS-Physiker Sven Rothlübbers. „Das soll dem Bediener dann angezeigt werden.“
Außerdem befassen sich die Fraunhofer-Forscher damit, die Ultraschalltechnik weiter zu verfeinern. So entwickeln sie ein Verfahren, mit dem sich während der Bildaufnahme die Temperatur des Gewebes messen lässt – nützlich für Krebstherapien, bei denen der Tumor mittels Hitzeeinwirkung zerstört wird. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Aufnahme von 3D-Ultraschallbildern. Hier müssen enorme Datenmengen bewältigt werden, weshalb die Aufnahme relativ lange dauert. „Wir arbeiten an selbstlernenden Verfahren, die es schaffen, hochwertige Bilder aus nur wenigen Eingangsdaten zu erzeugen“, sagt Rothlübbers. „Damit ließe sich die Bildaufnahme deutlich beschleunigen.“
Hilfreich wären solche Algorithmen auch für eine weitere Methode – den Ultraschall mit Kontrastmitteln. Das Prinzip: Während der Bildaufnahme wird ein Kontrastmittel verabreicht, das durch die Gefäße wandert und sich als heller Kontrast im Bild abzeichnet. „Die Art, wie schnell es hell und wieder dunkel wird, sagt einiges darüber aus, was da passiert“, beschreibt Sven Rothlübbers. „Damit könnten zum Beispiel Tumoren und Zysten in Organen wie Leber oder Niere besser sichtbar und unterscheidbar gemacht werden.“